Wir sind wie eine große Familie

An einem für mich etwas ruhigeren Tag hatte ich ein wenig Zeit für ein Interview mit Simon Hofmann, Maryans persönlichem Assistenten. Nach der Schule flitzte ich zum Potsdamer Platz und hielt ein nettes Gespräch mit Simon im Keller des CinemaxX. Klara kam nach etwa zehn Minuten dazu und leistete uns Gesellschaft.

fGR: Wie bist du überhaupt zur Berlinale gekommen?

Simon: Die lange Geschichte oder die kurze?

fGR: Die lange, bitte!

Simon: Ich habe für mich schon relativ früh entdeckt, dass der Film meine große Leidenschaft ist. Ich bin in München groß geworden und habe nach der Schule ein Praktikum bei einer Filmfirma gemacht. Darüber habe ich dann ein paar Kameramänner und Regieassistenten kennengelernt, die mir alle empfohlen haben: geh nach Berlin, da ist die Branche stärker, was ich dann gemacht habe. Ich habe dann als Regieassistent angefangen, war aber gar nicht so glücklich mit der Situation, weil man da doch nur von Projekt zu Projekt rutscht. Also habe ich angefangen zu Kulturwissenschaften zu studieren, der Studiengang hieß Kultur und Technik - eine Mischung aus Kunstwissenschaften, Filmwissenschaften, Philosophie, Psychologie…
Zum Ende meines Studiums habe ich an einer Studie gearbeitet, die die Wahrnehmung von Kindern bezüglich 2D und 3D verglichen hat. Ich glaube, dieses ganze Paket mit am-Set-Arbeiten, aber auch auf theoretischer Ebene mit der Uni, die ganze Beschäftigung mit Film, mit der ganzen Branche an sich, das war dann mein Grundgerüst, mit dem ich zur Berlinale gegangen bin, nachdem ich mich hier einfach mal beworben hab. Das war letztes Jahr für das Sichtungspraktikum bei Generation. Das hat echt Spaß gemacht und war eine wahnsinnig neue Welt für mich. Gerade beim Sichtungspraktikum bekommt man ganz viele Filme zu sehen, die ganzen Einreichungen. Wir haben ja auch dieses Jahr fast 1200 Kurzfilme und 600 Langfilme gehabt. Man bekommt einen Großteil eben auch zu sehen. Das ist ein wahnsinnig tolles Fenster in die Filmwelt.
Maryan und Florian haben auch gleich meine Euphorie gespürt, ich war glücklich dabei zu sein. Es war meine erste große Berlinale, bei der ich wirklich dabei war. Das haben sie gemerkt, dass es mir so gut gefällt, und dann kam die große Umstrukturierung, Florian wurde zum Leiter der Berlinale Talents. Dann hieß es, dass neue Aufgaben zu vergeben sind und ein neues Team entsteht. In dem Rahmen hat Maryan mich im März gefragt, ob ich nicht ihre Assistenz werden will.

fGR: War das dann wirklich deine allererste Berlinale, auch als Zuschauer? Oder hast du auch in den vorherigen Jahren schon ein paar Filme gesehen?

Simon: Nein, als Zuschauer war ich natürlich schon öfters hier und hab einige Filme geguckt, auch bei Generation. Ödland zum Beispiel, den hatte auch eine Freundin von mir aus München gemacht. Das ist immer ganze lustig, was man hier auf der Berlinale oder allgemein in dieser Welt immer wieder mitbekommt. Dass sich auf einmal Fäden und Stränge zusammenfinden, von denen man gar nicht geahnt hat, dass sich da Leute kennen. Auf einmal kennt man einen Filmemacher hier und der kennt wiederum den… du weißt, wie es läuft.

fGR: Wie findest du das Generation Team? Du hast ja jetzt beide Teams miterlebt (vor und nach der großen Umstrukturierung), wie gefiel und gefällt dir die Zusammenarbeit, gibt es etwas zu verbessern?

Simon: Was mich letztes Jahr auch sehr von Team überzeugt hat, war die Atmosphäre, besonders bei Generation. Sehr große Wärme und familiäre Stimmung. Bei meinem ersten Arbeitstag ist Florian mir am Aufzug begegnet und wir haben uns gleich in den Arm genommen und Hallo gesagt. So trägt sich das über das ganze Jahr. Man arbeitet sehr intensiv und sehr lang, auch im Praktikum schon und jetzt in der Assistenz umso mehr. Aber dadurch, dass die Stimmung warm und freundlich ist, lässt sich das nicht nur gut ertragen, sondern man steht jeden Tag gerne auf und geht gern hin.
Zu deiner Frage, wie es dieses Jahr ist - es gab natürlich eine gewisse…Nervosität ist vielleicht schon zu viel gesagt, aber man wusste natürlich, dass jetzt ganz neue Aufgaben kommen, die ganz neu aufgeteilt sind - vergisst man auch nichts?
Aber wir haben uns dieses Jahr schon relativ früh getroffen, um unser ganzes Jahr zu strukturieren. Damit sind wir dann mit einem recht guten Gefühl in die Saison gestartet.
Maryan sagt zwar immer „hier sind noch ein paar Aufgaben nicht so ganz zugeteilt, das ist noch nicht ganz klar“ und ich glaube von Seiten des Teams gibt es immer Verbesserungsmöglichkeiten, aber es fühlt sich gut an, es läuft und wir haben bis jetzt eine tolle Berlinale gehabt, die fehlerfrei verlaufen ist mit glücklichen Gästen und ohne große Zwischenfälle. Das ist eigentlich nur eine Bestätigung, dass es auch mit dem neuen Team gut klappt.

fGR: Was sind eigentlich deine Aufgaben während der Berlinale und um die Berlinale herum?

Simon: Von Oktober bis Anfang Januar begleite ich sehr stark den Sichtungsprozess. Dadurch, dass Florian weggefallen ist und Maryan wieder verstärkt für den Wettbewerb sichtet, war die Idee, dass ich ein bisschen das Medium zwischen ihr und dem Sichtungskomitee bin. Das heißt, es gibt Entscheidungen, die im Sichtungskomitee fallen - der Film soll gesehen werden - und ich fange die für Maria auf, bereite sie vor, sorge dafür, dass sie alle zur richtigen Zeit sieht. Wir haben ja auch eine tolle Programmkoordination mit Sebastian und Julia, die dann noch alle möglichen Information zu dem Film recherchieren: wo der lief, ob der in anderen Festivals eingereicht wurde. All diese Information sammeln sich bei mir und ich muss dann sagen „den musst du ganz schnell sehen, nächste Woche muss der sich entscheiden, ob der zur IDFA in Amsterdam geht oder zu anderen Festivals in Schweden“ und bei anderen Filmen weiß man, der hat noch Zeit. Man muss sehr viel mit Zeit haushalten.
Im Januar geht es dann über in die Publikationsphase. Sobald wir unsere Filme ausgewählt haben, kriegen wir von unseren Autoren die Texte über die Filme, die auch in unseren Broschüren und Katalogen sind, und müssen ganz viel redaktionell arbeiten. Texte korrigieren, umschreiben… Das hört sich jetzt nicht nach viel an, aber wir haben eben genau eine Woche Zeit.
Wir haben unsere letzten Entscheidungen am 8./9. Januar getroffen und hatten bis zum 15. Zeit, eine ganze Broschüre zu erstellen oder sogar zwei Broschüren. Das heißt lange Nächte im Büro. Aber auch da hat sich das Team wieder bewiesen. Die Stimmung war gut, alle waren gut drauf und haben sich gefreut, da macht man so etwas gerne.

fGR: Das steigert ja dann auch die Vorfreude auf die Berlinale, oder?

Simon: Das kommt erst etwas später. Sobald die Broschüren und die Kataloge raus sind und die ganzen Korrekturläufe fertig sind, kommt ein kurzes Durchatmen und man begreift, jetzt fängt bald das wirkliche Festival an, was man manchmal in diesem ganzen Prozess auch vergisst, wofür man das eigentlich macht.
Meine Aufgaben gehen dann dazu über, dass ich für Maryan mit dem Assistieren anfange, in dem Sinne, dass ich ihren ganzen Terminplan für das Festival mache. Sie trifft sich mit Filmemachern, Leuten aus der Industrie, geht auf Empfänge von Filminstituten, von Förderungen etc.. Da braucht sie einfach Unterstützung.
Gleichzeitig muss ich aber auch mein Kino vorbereiten (das CinemaxX am Potsdamer Platz). Wir müssen das ganze Personal briefen, die Gästebetreuer, die Jurybetreuer. Je mehr man dann wieder in diesen Briefings mit Mitarbeitern über das Festival spricht, desto mehr gestalten sich wieder die Erinnerungen, wie es im letzten Jahr war. Dann kommt langsam die Vorfreude, man erinnert sich wieder. Wenn auf einmal die ersten Gäste eintrudeln, merkt man, man ist nicht mehr hinter den Computer geklemmt, sondern man ist auf einmal Gastgeber, steht vom Schreibtisch auf und begrüßt die Gäste. Dann steigt die Euphorie und es geht los.

fGR: Hast du viel mit den Gästen zutun?

Simon: Ja, man hat zwangsläufig viel mit denen zutun, weil man sie im Kino in Empfang nimmt. Gerade weil das CinemaxX ein sehr großes Kino ist, kommen doch immer wieder die Filmgäste hierher, kommen zu den Q&As und man lernt sie auch hier kennen. Oben im Büro haben wir auch noch eine Guest Reception, wo wir die empfangen.
Maryan trifft alle Filmteams persönlich und auch da bin ich meistens dabei. Es sind immer diese kleinen Momente, wo man sich mal sieht. Manchmal kommen die Gäste auch einfach im Kino vorbei und wollen etwas vom Programm sehen.

fGR: Moderierst du hier auch manchmal?

Simon: Ich hatte gestern meine Moderationspremiere. Ich habe One&Two moderiert, hatte auch einen Jungstar dabei, Kiernan Shipka. Das war gut. Das Filmteam hat gemeint, ich würde das schon lange machen mit der Moderation, und ich wusste gar nicht, ob ich denen sagen soll „nein, das war meine erste“.
Es ist gut gelaufen und war ein schönes Gespräch, aber natürlich geht man mit Herzschlag auf die Bühne.

fGR: Würdest du das gerne öfter machen?

Simon: Ich habe kein Problem damit, da vorne zu stehen und das Team zu präsentieren, mit denen die Nervosität auf der Bühne zu teilen. Die sind ja teilweise noch nervöser als man selbst. Ich glaube, wenn man mit den anderen Moderatoren spricht, merkt man auch, dass man irgendwann gelassener wird und die Erfahrung viel ausmacht. Meine nächste Moderation wird der Generation Mix. Das ist ein Mix aus unseren Kurzfilmen, der im Rahmen der Berlinale Shorts gezeigt wird, am Sonntag um 16.00 Uhr um CinemaxX 5.

fGR: Was gefällt dir an der Berlinale am besten?

Simon: Ich glaube wirklich das Zwischenmenschliche. Es gibt immer einmal eine Situation, bei der es schnell gehen muss und wo man mal etwas härter im Ton wird, aber das nimmt einem keiner böse und es herrscht immer eine warme Atmosphäre. Man hat nie das Gefühl, dass mit einem von oben herab geredet wird, es ist wie eine große Familie. Sobald das Festival beginnt, überträgt sich das auch auf die Gäste. Ich kann da jetzt nur im Rahmen von Generation sprechen, aber die Gäste spiegeln das auch wieder. Die sagen „es war so toll“, erst gestern habe ich eine Kurzfilmerin getroffen, die dieses Jahr bei den Talents ist, und sie meinte, es sei so toll, dass sie wieder hier ist und dass wir uns wiedersehen. Sie musste so oft an dieses Festival denken und obwohl die Berlinale so groß ist und man sich ganz schön verlaufen kann und diese Anonymität irgendwo verschwindet, fühlen sich hier alle zuhause und gut umsorgt.
Das ist wie Ping-Pong - man gibt viel, man kriegt viel zurück. Das lässt einen all die Arbeit, all die langen Nächte und vielen Stunden vergessen.

fGR: Wie ist dein Tagesablauf? Gibt es einen Rhythmus oder ist es jeden Tag etwas ganz anderes?

Simon: Immer wenn man denkt, man hat seinen Rhythmus, wird man eines besseren belehrt. Es kommen auf einmal Dinge rein - per Email, per Telefon, Gäste, die auf einmal auftauchen - mit denen man nicht gerechnet hat.

fGR: Gab es einen sehr besonderen Moment für dich auf dieser Berlinale, der dich z.B. besonders berührt oder gefreut hat?

Simon: Ich muss sagen, diese Berlinale habe ich noch gar nicht wirklich verdaut. Die ist quasi noch im Verdauungsprozess. Ich kann einen vom letzten Jahr nennen. Da hatten wir einen türkischen Film bei uns, Were Dengê Min (Folge meiner Stimme) hieß der. Die Großmutter war hier. Das war eine ganz alte Frau, die kaum die Treppen herunter kam und sich auf die Bühne gestellt hat. Es war ein Riesen Team. Der Film war politisch sehr schwierig, weil es um diese kurdisch-türkischen Verhältnisse ging. Der Regisseur und wir hatten uns schon Sorgen gemacht, ob das überhaupt ein Film für Generation ist und die Kinder das verstehen. Und das war für mich ein wunderschöner Moment, als gerade die Jüngsten aufgestanden sind und applaudiert haben. Der Regisseur stand auf der Bühne und konnte es gar nicht begreifen. Der Höhepunkt war dann, als die kurdische Oma auf einmal ein traditionelles Lied auf der Bühne gesungen hat. Das war glaub ich einer der schönsten Momente - vom letzten Jahr.


Klara und ich blieben noch für ein paar Minuten, um uns weiter mit Simon zu unterhalten. Doch irgendwann rief dann doch die Pflicht und wir verabschiedeten uns von Simon, damit wir vor der Abendvorstellung noch einmal nach Hause konnten.

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